Die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) hat zur anstehenden Novellierung des Landesmediengesetzes Vorschläge für den Bürgerfunk gemacht. In dem Papier „Grundzüge der zukünftigen Fördersystematik des Bürgerfunks“ plädiert die LfM dafür, dass die Förderung des Bürgerfunks flexibilisiert wird. Außerdem soll ein Produktions- und Funktionsauftrag neu in das Gesetz aufgenommen werden.

Das Papier ist veröffentlicht auf der Seite der LfM und steht hier als PDF zum Download bereit.

Grundzüge der zukünftigen Fördersystematik des Bürgerfunks im lokalen Hörfunk

I. Ausgangslage

Die Förderung des Bürgerfunks durch die LfM umfasst jährlich 1,957.000,- €. Die Förderung erfolgt auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 und 2 LMG NRW.

Die LfM ist gehalten, regelmäßig ihre Förderaktivitäten zu evaluieren. Deshalb hat die LfM das Leistungsspektrum des Bürgerfunks von Prof. Dr. Helmut Volpers untersuchen lassen. Dessen Studie „Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen: Eine Organisations- und Programmanalyse“ belegt, dass in Nordrhein-Westfalen durch die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bürgerfunkgruppen und Radiowerkstätten an verschiedenen Orten ambitionierte Hörfunkangebote entstanden sind. Zugleich verweist die Studie jedoch auch, bezogen auf das Programm des Bürgerfunks in NRW insgesamt, auf Qualitätsdefizite. Sie macht zudem auf strukturelle Probleme im Gesamtsystem Bürgerfunk aufmerksam.

Diese sind darauf zurückzuführen, dass das Landesmediengesetz Nordrhein Westfalen für den Bürgerfunk keinen Funktionsauftrag vorsieht. Dies bedeutet, dass das Gesetz weder den an der Produktion von Bürgerfunkbeiträgen Beteiligten, noch der LfM, die diese Beiträge finanziell fördert, oder den lokalen Hörfunkanbietern, die die Programmverantwortung für die Beiträge zu übernehmen haben, erlaubt, Standards für die durch den Bürgerfunk zu erbringenden programmbezogenen und gesellschaftlichen Leistungen abzuleiten. Die Herausbildung gemeinsamer, von allen Akteuren getragener Handlungsgrundlagen und konsensfähiger Leitbilder wird so deutlich erschwert.

Hinzu kommt, dass die LfM die erfassten programmlichen und strukturellen Defizite nicht beeinflussen kann, da sie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben auf eine reine Beitragsförderung beschränkt ist. Sie hat keine Möglichkeit, durch zielorientierte Mittelzuweisungen steuernd Entwicklungen zu lenken, um so engagierte Kräfte, die ambitionierte Programme produzieren, zu stärken und Fehlentwicklungen zu verhindern bzw. unmittelbar zu korrigieren.

Um den Bürgerfunk zu stärken und zukunftsfähig zu gestalten, ist eine Änderung der Regelungen zum Bürgerfunk im Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen notwendig.

II. Vorschläge für eine Novellierung des Landesmediengesetzes NRW

Aus der Sicht der LfM sollten deshalb die bisherigen Regelungen zum Bürgerfunk im lokalen Hörfunk im Abschnitt VIII LMG in den §§ 71, 72, 73, 74 und 82 wie folgt geändert werden:

(1) Aufnahme eines gesetzlichen Programm- und Funktionsauftrags für den Bürgerfunk,

(2) Erweiterung der Satzungskompetenz der LfM, um die Förderung des Bürgerfunks zu flexibilisieren (Wegfall der bisherigen Sendezeitenförderung).

(1) Aufnahme eines gesetzlichen Programm- und Funktionsauftrags für den
Bürgerfunk

Mit der Benennung eines Auftrags werden die Leistungen, die der Bürgerfunk für die Gesellschaft und in seinem Programm erbringen soll, konkretisiert. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit entsprechenden Regelungen, z.B. in Niedersachsen und Hamburg, zeigen, dass den Beteiligten im Systems durch einen Programm- und Funktionsauftrag gerade auch im Hinblick auf die Programmleistung, ein Orientierungsrahmen an die Hand gegeben wird, der die Qualität des Programms steigern kann, ohne den Zugang zu beschränken.

Der Funktionsauftrag für den Bürgerfunk sollte wie folgt beschrieben werden:

Bürgerfunk im lokalen Hörfunk …

1) eröffnet Bürgern und Bürgerinnen den diskriminierungsfreien Zugang zur öffentlichen Kommunikation,
2) ergänzt publizistisch die lokale Berichterstattung im jeweiligen Verbreitungsgebiet und
3) fördert den Erwerb von Medienkompetenz.

Zur Umsetzung dieses Funktionsauftrages benötigt der Bürgerfunk hörerrelevante Sendzeiten.

Durch eine künftige Festschreibung eines Funktionsauftrages im LMG NRW wird die Herausbildung gemeinsamer Grundlagen, die dem Handeln aller Akteure im Gesamtsystem „Lokalfunk“ zugrunde liegen, erleichtert.

(2) Erweiterung der Satzungskompetenz der LfM, um die Förderung des Bürgerfunks zu flexibilisieren (Wegfall der bisherigen Sendezeitenförderung)

Die LfM muss flexibel in der Wahl ihrer Instrumente sein, mit denen sie den Programm- und Funktionsauftrag fördert. Nur auf diese Weise kann sie

gewährleisten, dass die Funktionen, die der Bürgerfunk in NRW hat, sinnvoll wahrgenommen werden,

Impulse für die Weiterentwicklung des Systems geben und diese begleiten,
auf technische Neuentwicklungen reagieren,
auf sich verändernde Förderbedarfe reagieren,

die Fördermittel effizient einsetzen,

Entwicklungen steuern und den Missbrauch verhindern,

Transparenz in der Mittelvergabe schaffen und
den Wettbewerb unter den Beteiligten anstoßen.

Die LfM empfiehlt daher die Abkehr von der bisherigen Förderung der Sendezeiten gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 LMG NRW (Minutenförderung) für den Bürgerfunk. Statt dessen wäre es wünschenswert, wenn im Landesmediengesetz eine allgemeine Grundlage für die Förderung des Bürgerfunks in Verbindung mit einer entsprechenden Satzungskompetenz der LfM vorgesehen würde. Dadurch erhielte die LfM die Möglichkeit, den Bürgerfunk auf der Basis unterschiedlicher Schwerpunkte bzw. Instrumente zu fördern.

Solche Instrumente können aus Sicht der LfM die im folgenden genannten sein:

2.1. Förderung von Produktionshilfen (Radiowerkstätten):

Der Bürger soll zur Produktion eigener Radiobeiträge weiterhin Produktionshilfen (technische Ausstattung, Beratung, Betreuung, Qualifizierung) erhalten, so dass Programme produziert werden können, die sich an journalistischen Standards orientieren. Zu diesem Zweck soll er auf Radiowerkstätten in NRW zurückgreifen können, die effizient und erfolgreich arbeiten.

Damit Radiowerkstätten diese Aufgaben erfüllen können, sollen sie unmittelbar bei der LfM Fördermittel beantragen können. Die Förderung der Radiowerkstätten durch die LfM kann beispielsweise folgende Bereiche umfassen:

Zuschüsse für die Anschaffung der Grundausstattung der Produktionstechnik. Diese umfasst in der Regel Aufnahmeeinheiten, digitale Schnittplätze und die Studioausstattung.
Zuschüsse für Ersatz- und Ergänzungsbeschaffungen, die sich durch den Geräteverschleiß im laufenden Produktionsbetrieb ergeben.

Zuschüsse zu den laufenden Betriebskosten, um die Betreuung, Versicherung, Reparatur und Wartung der Produktions- und Sendetechnik, die organisatorische Abwicklung des Produktionsbetriebes und die Durchführung von Grundlagenkursen in die Technikbedienung zu gewährleisten,
Zuschüsse für die Qualifizierung von Nutzern der Radiowerkstätten.

Abhängig von der Struktur des Verbreitungsgebietes, der zur Verfügung stehenden Sendezeit und der bisherigen Auslastung der Radiowerkstatt sowie unter Einbindung der Qualitätsstandards, die derzeit im Rahmen des Projektes „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“ auf der Basis einer Überprüfung der Leistungen der Radiowerkstätten entwickelt werden, soll eine Kriteriensystem mit Richtwerten für den Programmoutput und noch zu spezifizierenden Leistungen entwickelt und ein jährlicher Förderhöchstbetrag festgesetzt werden. Die Einzelheiten werden durch Satzung geregelt.

Die zukünftigen Regelungen sollen die Transparenz der Mittelverwendung erhöhen, ein tragfähiges System mit einer ausreichenden Anzahl an Radiowerkstätten schaffen und den bürokratischen Aufwand für alle Akteure auf das erforderliche Maß reduzieren.

2.2. Förderung der Qualifizierung:

Den Bürgern, die Hörfunkbeiträge produzieren wollen, sowie den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern im Bereich der Produktionshilfe sollen Qualifizierungsangebote unterbreitet werden, so dass Programme produziert werden können, die sich an journalistischen Standards orientieren. Gelungener Bürgerfunk setzt nämlich neben guten strukturellen Rahmenbedingungen voraus, dass die Handelnden die notwendigen Fertigkeiten und Fähigkeiten der Produktion und Gestaltung von Hörfunkbeiträgen erwerben und erweitern können. Deshalb sollen auf unterschiedlichen Ebenen bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote gefördert werden.

Die „Radiomacher“, d. h. die Produzenten und Produzentinnen im Bürgerfunk benötigen publizistisch-handwerkliche Kompetenzen, um relevant an öffentlicher Kommunikation partizipieren zu können und eine dauerhaft akzeptierbare Produktqualität zu entwickeln und zu sichern. Hier bedarf es eines kontinuierlichen Angebotes, um immer wieder Anfänger an das Medium heranzuführen. Für die fortgeschrittenen Produzenten und Produzentinnen im Bürgerfunk sind neben Auffrischungskursen spezielle Angebote sinnvoll, die ihnen die Möglichkeit bieten sollen, Darstellungs- und Sendeformen zu variieren sowie kreativkonzeptionell mit dem Medium Radio umzugehen.

Dieses Angebot sollte von Multiplikatoren bzw. Medientrainern erbracht werden, die in einem systematischen und an einheitlichen Qualitätsstandards ausgerichteten Aus- und Weiterbildungskonzept geschult wurden. Dazu sollten Qualifizierungskonzepte entwickelt, bzw. vorhandene Konzepte weiterentwickelt werden, die dauerhaft den Zielgedanken einer gehobenen Programmqualität im Bürgerfunk verfolgen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Radiowerkstätten benötigen neben dem Radiowissen auch Organisations- und Managementkompetenz. Es müssen Strategien der Öffentlichkeitsarbeit und Nutzerakquisition, qualitative Standards in der Erbringung von Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen u.ä. vermittelt werden, die mittelfristig zu einer Verbesserung der Arbeit der Radiowerkstatt und damit des Bürgerfunks führen. Die mit dem Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“ begonnene Qualifizierung von Qualitätsbeauftragten in den Radiowerkstätten sollte, soweit die Erfahrungen des Projektes dies nach der Pilotphase bestätigen, kontinuierlich fortgeführt werden, um dadurch nachhaltig und tiefgreifend ein Qualitätsmanagementsystem in die Radiowerkstätten zu integrieren.

Je nach Gegenstand und Zielgruppe der Qualifizierung müssen die Angebote lokal, ggf. regional sowie landesweit organisiert und getragen werden. Neben den Radiowerkstätten sollten auch Dritte mit der Durchführung beauftragt werden können.

Die regionalen und landesweiten Qualifizierungsmaßnahmen müssten entsprechend ausgeschrieben werden.

2.3. Förderung von Projekten:

Durch die Projektförderung soll die Möglichkeit eröffnet werden, auf lokale Besonderheiten und Bedarfe besser eingehen zu können. So müssen die Radiowerkstätten ihre Angebote, speziell die im Bereich der produktionsorientierten Vermittlung von Medienkompetenz, zielgruppenspezifisch weiterentwickeln, um so auf Veränderungen reagieren zu können. Darüber hinaus müssen sie in der Lage sein, möglichst frühzeitig zielgerichtet und effektiv auf neue Entwicklungen und aktuelle Probleme reagieren zu können. Es werden Konzepte benötigt, die den Radiowerkstätten in NRW für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt werden.

Durch die Förderung von Pilot- oder Modellprojekten will die LfM

Impulse für die bürgermediale Anwendung neuer technischer Entwicklungen geben,
die Qualität im Programm weiterentwickeln,
Lösungen für spezielle Probleme erarbeiten und

auf lokale Besonderheiten und Fragestellungen eingehen können.

Der Transfer der Ergebnisse der Pilot- bzw. Modellprojekte vor Ort zu den Trägern des Bürgerfunks in NRW ist dabei von wesentlicher Bedeutung. Projekte können durch Radiowerkstätten initiiert und durchgeführt werden, da sich in den vergangenen Jahren bereits an den einzelnen Standorten unterschiedliche Schwerpunktsetzungen im örtlichen Angebot und Profil entwickelt haben.

3. Fazit

Die detaillierten Regelungen zur praktischen Umsetzung der unter 2.1 bis 2.3 beschrieben Instrumente zur Förderung des Bürgerfunks sowie für die Vergabe der Fördermittel würden von der LfM auf der Basis ihrer Erfahrungen mit der bisherigen Förderpraxis entwickelt und in einer Satzung festgehalten.

Durch das oben beschriebene Förderkonzept werden neue Akzente im Bereich der Qualifizierung und des Programms im Bürgerfunk gesetzt. Dies führt zwangsläufig zu einer Umverteilung der zur Verfügung stehenden Mittel und damit auch zur Veränderung der bisherigen Angebotsstrukturen.

Die LfM wird gewährleisten, dass die zukünftigen Förderregelungen allen Beteiligten, insbesondere den Radiowerkstätten, in der Umstrukturierungsphase die nötige Planungs- und Rechtssicherheit geben und den bürokratischen Aufwand auf das erforderliche Maß reduzieren.

Individuelle Strukturen und Rahmenbedingungen an den einzelnen Standorten sollen berücksichtigt werden. Der Prozess der Umstrukturierung wird durch den Dialog der LfM mit den Radiowerkstätten sowie durch das Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“ begleitet. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Bedarfe der Beteiligten frühzeitig in die Planungen einfließen können.