Der Verband der Chefredakteure (VdC) hat am 21. Mai einen Offenen Brief zur LMG-Novelle veröffentlicht.

Hier eine Auswahl von Antworten darauf:

Die Verfasser*innen der Antworten sind anonymisiert, um sie vor Problemen vor Ort zu schützen.

Antwort 1

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Bürgerfunker nehmen wir die Stellungnahme des Verbandes der Chefredakteure als die Position zum Bürgerfunk zur Kenntnis, die uns seit Existenz des Lokalfunkmodells bekannt ist. Man verweist auf die mangelnde Durchhörbarkeit des Bürgerfunks, definiert ihn als Störfaktor und verweist auf die wirtschaftlichen Konsequenzen. Eine Argumentation, die das Lokalfunkmodell an sich, wie es seit 1990 existiert, in Frage stellt, denn:

Ohne Bürgerfunk kein Lokalfunk. Nur aufgrund der Monopolstellung des privaten Rundfunks in seiner jetzigen Form existiert auch der Bürgerfunk als „binnenplurale Auflage“ innerhalb des NRW-Lokalfunkmodells. Wir verweisen an dieser Stelle darauf, dass in den meisten anderen Bundesländern die Bürgermedien über eigene Modelle inklusive Frequenzen verfügen. Aus diesem Wissen heraus ist auch gut verständlich, dass sich die Chefredakteure formal für den weiteren Erhalt des Bürgerfunks einsetzen – aber bitte zu einer Sendezeit, wo er ihre Interessen nicht berührt.

Ein Bürgerfunk, der sein Ziel erreichen soll, muss aber ein Stück weit auch eine breitere Hörerschaft erreichen können, sonst kommt er seinem Funktionsauftrag nicht nach. Das Verbreiten als Einschaltmedium, wie es vom VdC dargestellt wird, entspricht faktisch nicht dem Vielfaltsgebot in einem Massenmedium.

Wenn Bürgerfunk eine lokale publizistische Ergänzung sein soll, muss er auch zu Zeiten präsent sein, in denen er viele Hörer erreichen kann. Nicht in der UKW-Primetime am Morgen, das ist durch ungewöhnliche Formate und Musikfarben argumentierbar (in der Anfangszeit gab es an vielen Orten auch Bürgerfunk zu frühen Tageszeiten ab 9 Uhr), aber immer noch im Tagesprogramm VOR dem „Fernsehschatten“, also klassisch zwischen 18 und 20 Uhr.

Des Weiteren benennt der VdC eine wirtschaftliche Relevanz dieser Sendezeit zwischen 18 und 20 Uhr. Er verweist auch darauf, dass das lokale Informationsangebot eingeschränkt werden müsste.

Was spricht dann dagegen, den Bürgerfunk einfach wieder nach der letzten lokalen Sendestunde ausstrahlen zu lassen, wie es früher geregelt war? Dann könnte von einer lokalen Informationseinschränkung wohl kaum die Rede sein, bestenfalls von einer Einschränkung kommerzieller Verwertung, die nur von einem neutralen Radio NRW Programm aus unterfüttert wäre. Bürgerfunk um diese Zeit stellt aber grade die lokale publizistische Ergänzung dar, die in seinem gesetzlichen Auftrag steht.

Bedenken Sie bitte bei Ihrer Entscheidung, dass der Lokalfunk als Gesamtmodell eben nicht primär nur den maximalen Wirtschaftsinteressen der Betriebsgesellschaft dient, sondern von Anfang an auch einen inhaltlichen Auftrag hat. Wirtschaftliche Probleme einzelner Lokalsender stehen in keinem relevanten Zusammenhang zu Bürgerfunksendezeiten. Kein Lokalsender konnte durch die Verschiebung des Bürgerfunks 2007 seinen Erfolg erheblich steigern.

Deshalb fordern wir die Politik auf, eine Bürgerfunksendezeit ab 18 Uhr, oder ggf. nach dem Ende der letzten lokalen Sendestunde (mit Livemoderation und Inhalt!) festzuschreiben.

Antwort 2

Zunächst sollten die Chefredakteure ihre Angaben belegen. Diese Belege fehlen mir bisher. Sie sollten insbesondere differenzieren und dartun, welche Umschalt- und Abschalt-Ursachen zu welchem Verhalten welcher Personengruppen führen. Ferner sollten sie darlegen, wie sie die Einnahmeverluste und die Arbeitsplatzverluste prognostiziert haben, welche Stellen sie meinen: auch Freie, auch Praktikanten, Vollzeit, Teilzeit, Redakteure? Warum es ihnen unmöglich ist, eine elegante und möglichst reichweitenneutrale Einbettung oder Integration des Bürgerfunk zur Feierabendzeit zu gewährleisten. Ich kenne z. B. keinen Teaser, der den Bürgerfunk überspannt, keine spezielle Eigenwerbung dazu, keine Aktionen.

Dann das Argument der Durchhörbarkeit: Das dürfte in der sonstigen lokalen Medienlandschaft kein Pendant haben: Jedes Printprodukt muss ertragen, dass nicht jeden Tag eine Sau durchs Dorf läuft und doch regulär erscheinen. Auch das Format ist nie gleich, nie die Komplexität des Themas, Seitenzahlen wechseln, Anzeigen, Leserbriefe (sic!) müssen rein! Die Attraktivität aller Medien ist nicht allezeit gesetzt, sondern muss in jeder Ausgabe, wenn nicht sogar auf jeder Seite, neu generiert werden. Warum soll auf Kosten des Bürgerradios – das sich seinen Träger nicht ausgesucht hat, für den es aber derzeit keine adäquate Alternative gibt -, dieser Attraktivitätslevel im Lokalfunk “einfacher” erreichbar sein?

Antwort 3

Liebe Chefredakteure,

die Sendezeit ab 21 Uhr hat sich nur für diejenigen bewährt, die den Bürgerfunk nach 25 Jahren immer noch als Feindbild ansehen.

Sie erinnern sich an Ihre Vertreter, die sich bei der 2007er Reform brüsteten, dem Gesetzgeber in die Feder diktiert zu haben?

Das Bürgerfunksterben hat genau damit zu tun und mit nichts anderem.

Der Bürgerfunk kann nichts dazu, wenn Sie von Ihren Betreibergesellschaften so kurz gehalten werden, dass Sie praktisch keine lokale Berichterstattung mehr auf die Beine stellen können.

Dass Sie trotzdem den Druck kriegen, wenn die Quoten nicht stimmen, hat auch nichts mit dem Bürgerfunk zu tun.

Umso mehr sollten Sie sich freuen, dass wenigstens der Bürgerfunk noch was Lokales bringt.

Das Arbeitsplatzargument zählt ebenfalls nicht, da es in den meisten Fällen nur um den Chefredakteur geht. Mehr Leute arbeiten bei den Lokalsendern ja eh nicht, sonst würde man von denen ja Beiträge hören.

Also: 1. Fein stille schweigen, 2. Die eigene Rolle im System reflektieren, 3. Lokalkompetenz BEWEISEN und nicht nur davon reden, dann klappt’s auch a) mit der Quote und b) mit dem Bürgerfunk. Wenn Ihre Verleger was dagegen haben, sollten Sie sich wieder bei Schritt 2. einloggen und sich die Frage stellen, warum Sie so an Ihren Posten kleben.