Kommunalpolitiker der FDP melden sich in Sachen Bürgerfunk zu Wort. Das vorliegende Papier vom Lübbecker FDP-Ratsmitglied Dieter Schweppe wurde allen Mitgliedern der FDP-Landtagsfraktion, dem zuständigen Fraktionsreferenten sowie den FDP-Ministern im Landeskabinett teilweise persönlich übergeben und verschickt.

Das Statement als PDF-Datei und hier im Wortlaut:

Vorbemerkung:

Die nachfolgenden Anmerkungen sollen ein Beitrag für die Beratungen innerhalb der FDP-Landtagsfraktion und für die Koalitionsgespräche bei der bevorstehenden Novellierung des Landesmediengesetzes sein. Insbesondere bei der Diskussion um die Zukunft des Bürgerfunks in Nordrhein-Westfalen ist für Liberale ebenso ein besonderes Augenmerk auf den publizistischen Funktionsauftrag lokaler Rundfunksender zu werfen, wie auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Die aktuellen Angriffe auf den Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen sind so alt, wie der Lokalfunk in NRW und dienten schon immer als „Stellvertreterdebatte“, um von den Defiziten eines überregulierten Rundfunksystems abzulenken.

Medienpolitik ist für Liberale nicht nur von ökonomischer Bedeutung. Meinungsvielfalt, kulturelle Identität und bürgerschaftliche Beteiligung gehören zu den Kernelementen liberaler Programmatik.

Mit der Entwicklung des privaten Fernsehens in den 1980er Jahren und des privaten lokalen Rundfunks in NRW hat sich Nordrhein-Westfalen als Medienstandort mit einer großen wirtschaftlichen Bedeutung in diesem Marktsegment entwickelt.

Der lokale Rundfunk in NRW: Monopole verhindern den Markt:

Bei der Verabschiedung des ersten Landesrundfunkgesetzes 1986 hat die damalige Landesregierung die konsequente Marktöffnung für die Zuteilung lokaler Frequenzen verhindert und stattdessen den örtlichen und regionalen Zeitungsverlagen unter wirtschaftliche Beteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften ein Marktmonopol eingeräumt.

Um das damit auch einhergehende publizistische Monopol rechtssicher zu machen, wurde u.a. mit dem „Zwei-Säulen-Modell“ die redaktionelle Verantwortung auf die örtlichen gesellschaftlich relevanten Gruppen in Form der Veranstaltergemein-schaften übertragen. Ferner wurde der Bürgerfunk etabliert, um als lokale „Vielfalts-Reserve“ bürgerschaftlichen Gruppen eine lokale publizistische Plattform zu geben.

Der Bürgerfunk ist somit integraler Bestandteil dieser rechtlichen Konstruktion lokaler Frequenzvergabe. Die Diskussion Einschränkung des Bürgerfunks müsste aus liberaler Sicht konsequenter Weise eine vollständige Abkehr von der so gefundenen Monopolstruktur und damit eine Öffnung der lokalen Werbemärkte für private Investoren zur Folge haben und zwar branchenübergreifend und ohne regionale Einengung.

Bürgerfunk: Keine messbaren negativen ökonomischen Auswirkungen

Das Ranking der Nordrhein-Westfälischen Lokalsender lässt keinen Zusammenhang zwischen den Sendezeiten des Bürgerfunks und dem wirtschaftlichen Erfolg einer Lokalstation erkennen. Die jeweilige Programm-Akzeptanz und damit die wirtschaftliche Basis für einen erfolgreichen Lokalfunk wird in der „Prime-Time“ von 6.00 bis 9.00 Uhr generiert. Die Stärkung der lokalen Identität wurde von den Lokalstationen vielerorts vernachlässigt. Das gilt ebenso für die redaktionelle Substanz der Sender (s. Studie des Hans-Bredow-Instituts 2006).

Das Fundament für eine aufgeklärte, liberale Gesellschaft

Aus bildungspolitischer Sicht ist die Stärkung von Medienkompetenz in allen Altersgruppen und allen gesellschaftlichen Milieus ein wichtiger Baustein für eine liberale Gesellschaft, die den mündigen Mediennutzer anstrebt.

An der Vermittlung von Medienkompetenz hat der Bürgerfunk in NRW mit seinen anerkannten Radiowerkstätten einen beachtlichen Anteil.

Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen (Prof. Volpers, Universität Göttingen 2006) ist der Bürgerfunk besser als sein Ruf. Gleichwohl hat sich der Bürgerfunk nicht durchgängig bewährt. Daher ist die angestrebte Qualitätsentwicklung im Sinne einer freiwilligen Selbstkontrolle durch die anerkannten Radiowerkstätten ausdrücklich zu begrüßen.

Der Bürgerfunk sollte ferner stärker in Medien-Kompetenz-Projekte eingebunden werden (s. Bericht des NRW-Medienrates 2005)

Der medienpädagogische Auftrag des Bürgerfunks kann (gerade bei Kindern und Jugendlichen) allerdings nur dann seine Wirkung entfalten, wenn er zu hörerrelevanten Sendezeiten eine größere Öffentlichkeit erreicht.

Die von der Landesanstalt für Medien einstimmig angestrebte Satzungskompetenz bei der Förderung und Weiterentwicklung des Bürgerfunks ist daher ein angemessenes Instrument, das weitergehende gesetzliche Regelungen entbehrlich macht.

Die lokale Identität: Wirtschaftliche Grundlage der Lokalstationen

Abzuwägen sind die wirtschaftlichen Interessen von Radio NRW als Mantelprogrammanbieter und damit als ökonomisches Standbein mit seiner zwar marktfremden aber systemimmanenten finanziellen Ausgleichsfunktion.

Eine einheitliche Sendestrecke des Bürgerfunks in den späten Abendstunden wird angestrebt, um die landesweite Vermarktung der gemeinsamen Sendezeit zu ermöglichen. Das ist aber nur möglich, wenn die Lokalsender und ihre Programmverantwortlichen in dieser Zeit einheitlich auf ihre lokal produzierten Sendungen verzichten.

Angesichts der bevorstehenden Marktentwicklung in der digitalisierten Rundfunkwelt ist aber gerade die kommunale Identität ein entscheidender Akzeptanzfaktor für die wirtschaftliche Zukunft der Lokalsender. Sie müssen sich künftig mit einem wachsenden Rundfunkmarkt und damit mit einem wachsenden Wettbewerb um die Hörergunst und damit um Marktanteile auseinandersetzen.

Selbst der Verband Lokaler Rundfunk (VLR) betonte gegenüber der FDP, dass sich der Bürgerfunk zumindest zu einem akzeptanzneutralen, wenn nicht gar zu einem, die Hörerbindung steigenden Faktor des Lokalfunks werden kann.

Die bestehende gesetzliche Bindung des Bürgerfunks an die Zeiten der lokalen Eigenproduktionen wirkt sich positiv auf die lokale Identität aus. Ausnahmen hiervon können unter den örtlichen Akteuren vereinbart werden. Eine weitergehende gesetzliche Regelung ist auch hier verzichtbar.