Am 10. Mai hatten die am Lokalfunk beteiligten Interessengruppen die Gelegenheit, der Mehrheitsfraktion der Landesregierung ihre Vorstellungen zur Zukunft des Lokalfunkmodells darzulegen. Aber eigentlich gab es nur ein einziges kontroverses Thema im ganzen Zwei-Säulen-Modell: Den Bürgerfunk.
Heftige Angriffe
Hajo Mattheis vom Landesarbeitskreis „Qualitätsoffensive Bürgerfunk“ hatte es auf dem Podium gleich mit drei „Gegnern“ zu tun.
Am angriffslustigsten zeigten sich Udo Becker vom Verband der Betriebsgesellschaften und Andreas Heine vom Verein der Chefredakteure. Ihre Forderungen an das neue Landesmediengesetz:
– Bürgerfunk landesweit einheitlich nach 22 Uhr
– Landesweit maximal eine Sendestunde Bürgerfunk
– Ausstrahlung nur noch deutschsprachiger Beiträge
– Anpassung an das Musikformat des Senders (Playlist-Musik)
– Ausfall des Bürgerfunks, wenn der Sender aktuellen Bedarf sieht.
Heine, Chefredakteur bei Radio MK (Märkischer Kreis), war sogar die Qualitätsdebatte im Bürgerfunk gleichgültig, weil auch ein „Qualitätsbürgerfunk“ ein Formatbruch und damit nicht zu akzeptieren sei.
Dagegen argumentierte Frank Böhnke vom Verband der Veranstaltergemeinschaften, Verband Lokaler Rundfunk in NRW (VLR), vergleichsweise moderat. Zwar seien die VGen an einem Bürgerfunk interessiert, der nicht „störe“. Böhnke sah aber durchaus die publizistische Funktion von Sendungen, die einen hohen redaktionellen Eigenanteil aufweisen. Gleichzeitig plädierte er ebenfalls gegen fremdsprachige Beiträge und für die Verkürzung der Bürgerfunk-Sendedauer auf lediglich eine Stunde täglich in allen Verbreitungsgebieten. Als landeseinheitlichen Sendebeginn nannte er 20 Uhr. Einen Beginn um 22 Uhr hielt Böhnke für nicht akzeptabel und eine Quasi-Abschaffung.
Bürgerfunk präsentierte sich überzeugend
Als letzter Referent konnte Hajo Mattheis für den „LAK Qualitätsoffensive Bürgerfunk“ diesen Angriffen die Position der Bürgerfunker und Radiowerkstätten entgegenstellen. In einer gut vorbereiteten Power-Point-Präsentation konnte er nachweisen, dass die Reichweiten der Sender mit den Sendezeiten des Bürgerfunks in keinerlei Zusammenhang stehen. Der Lokalfunk habe – trotz oder gerade wegen? des Bürgerfunks – im Jahr 2005 Rekordgewinne eingefahren und Radio NRW zum erfolgreichsten Einzelsender Deutschlands gemacht. Nicht nur für die CDU, die sehr an der Wirtschaftlichkeit der Sender interessiert ist, ein wichtiges Argument.
Mattheis zitierte Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Volpers-Studie zum Bürgerfunk und stellte sie in Bezug zur Realität im Land: Anhand von Zahlen, Daten und Fakten konnte er deutlich machen, wie weitgehend der Bürgerfunk über die Beteiligung von unterschiedlichsten lokalen Gruppen in der Gesellschaft verankert ist. Er wies darauf hin, dass es einer Abgabefrist von drei Tagen natürlich nur relativ wenige aktuelle politische Sendungen geben könne und Live-Sendungen seien ja bisher gar nicht möglich.
Hajo Mattheis betonte nochmals die wichtigen Funktionen der Vielfaltsreserve Bürgerfunk, der in vielen Facetten ein unverzichtbares lokales publizistisches Ergänzungsangebot geworden sei. Nebenbei leiste der Bürgerfunk praktische Medienkompetenzvermittlung und sei insgesamt das erfolgreichste Partizipationsmodell Deutschlands, das unzähligen Bürgerinnen und Bürgern ihr im Grundgesetz verankertes Recht auf freie Meinungsäußerung auch im Radio garantiere. Die anerkannten Radiowerkstätten ermöglichten mit ihren Kompetenzen und Leistungsprofilen Qualität im Bürgerfunk. Ein Umstand, dem auch in einer künftigen Gesetzgebung und Förderung Rechung getragen werden müsse.
Daher forderte Mattheis eine finanzielle Absicherung des Bürgerfunks in NRW, ein Sendevolumen, das diesen vielfältigen Aufgaben nicht die Grundlage entziehe und eine Sendezeit vor 20 Uhr. Er betonte, dass Rundfunk in Deutschland kein reines Wirtschaftsgut, sondern ein Kulturgut darstelle – ein Bekenntnis, das auch von weiten Teilen der CDU geteilt werde.
Novelle des Landesmediengesetzes noch in 2006
Die Argumente in der anschließenden Diskussion waren altbekannt und zeugten wieder einmal von den Interessengegensätzen in einem Modell, das kommerziellen und nicht-kommerziellen Lokalfunk auf einer Frequenz vereint. Die NRW-CDU gab zwar ein klares Bekenntnis zu diesem Modell und auch zum Bürgerfunk ab. Allerdings muss sich bei der anstehenden Umgestaltung der Rahmenbedingungen zeigen, ob am Ende ein Bürgerfunk steht, der diesen Namen noch verdient.
Die Ankündigung von Dr. Michael Brinkmeier, dass man noch in diesem Jahr neue gesetzliche Regelungen beschließen wolle, lässt Zweifel, ob genügend Zeit und Raum für eine sachlich-argumentative Auseinandersetzung bleiben. Allzu sehr wurde in vielen Redebeiträgen und Wortmeldungen ein von bloßer Marketingstrategie gesteuerter Lobbyeinfluss deutlich. Diesen zu überwinden, dürfte für den Bürgerfunk in NRW eine der größten Herausforderungen seiner Geschichte darstellen.
Die Power-Point-Präsentation und der Text der Rede von Hajo Mattheis liegen dem LBf vor. Auskünfte bei der LBF-Geschäftsstelle.
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