Die Stellungnahme des Landesarbeitskreises Qualitätsoffensive Bürgerfunk zur Studie „Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen – Eine Organisations- und Programmanalyse“ findet sich hier als PDF-Datei zum Download.

Der LAK hat erfreut das positive Gesamtergebnis der Bürgerfunk-Studie zur Kenntnis genommen. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie negativ die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) die Volpers-Studie interpretiert. Die Schlussfolgerungen der LfM stehen in keinem Verhältnis zu den Ergebnissen der Studie (Zitate mit Seitenzahlen in Klammern).

„Das Programmangebot des Bürgerfunks ist vielfältig und als Ganzes betrachtet besser als sein Image“. (S. 145) Es gebe nicht den Bürgerfunk in NRW, er sei standortspezifisch sehr unterschiedlich (S. 141). Dennoch seien die Sendungen „weitgehend auf einem hörbaren Niveau“ (S. 142). „Die feststellbaren Mängel halten sich dabei in einem Rahmen, der ein tolerierbares Maß nicht überschreitet.“ (S. 78)

Dieses Ergebnis zeigt: Einzelne Ausreißer und das Gerede über sie verbergen die im Großen und Ganzen recht hohe Qualität der von Nichtprofis gemachten Programme. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Partizipation am Lokalfunk in NRW funktioniert:

„Neben den […] Bürgerfunkern kommen in großem Umfang Bürger […] zu Wort“ (S. 143). „Der offene Zugang zum System Bürgerfunk und zur Produktion ist gegeben.“ (S. 146)

Maßgeblich daran beteiligt sind die rund 150 Bürgerfunkstudios („Radiowerkstätten“) in NRW, die für die Bürgerfunker Räume und Technik bereithalten und ihnen Qualifizierungsmöglichkeiten, journalistische Beratung sowie technische Begleitung bieten. Und noch einiges mehr, wie die Studie zeigt:

„Die Radiowerkstätten leisten vor Ort häufig eine wichtige sozial-integrative Arbeit, die weit über die Medienproduktion herausgeht. Insofern erbringen sie neben ihrer Medienkompetenzvermittlung und Infrastrukturleistung einen erheblichen pädagogischen Zusatznutzen“ (S. 144).

Mit Erstaunen hat der LAK zur Kenntnis genommen, dass die LfM das durchschnittliche Wort-Musik-Verhältnis von 30:70 als Schwachstelle im Bürgerfunk kritisiert und daraus den Zusammenhang konstruiert, dass 70 Prozent der Fördermittel zur Ausstrahlung von Musik verwendet werden. Diese Fehlinterpretation weist der LAK deutlich zurück: Diese Relation entspricht exakt dem kommerziellen Programm-Umfeld, dem der Bürgerfunk in dieser Hinsicht entgegenkommen wollte (und sollte!). Gefördert wird ein Gesamtprogramm, das sich an diesem Punkt an den gängigen Standards in Programmen für breite Hörerschichten orientiert. Und hinter diesem Gesamtprogramm steht eine landesweite Struktur von ca. 150 Radiowerkstätten mit Räumen, Technik und personeller Programmbetreuung. Dabei decken die LfM-Mittel die entstehenden Kosten nur anteilig.

Als inhaltliche Schwachpunkte des Bürgerfunks zitiert die LfM aus der Studie eine geringe Formvarianz und zu wenig politikbezogene Informationen. Dazu weist der LAK darauf hin: Eine größere Formenvielfalt (auch Feature, Hörspiel etc.) erfordert eine immense Intensivierung der Qualifizierung und Begleitung von Bürgerfunkern durch die Radiowerkstätten. Mit stagnierenden oder rückläufigen Fördermitteln können solche Programmverbesserungen kaum geleistet werden.

Zum Thema Politikbezug verweist der LAK auf die Rahmenbedingungen des Bürgerprogramms, die von der Politik und LfM bestimmt werden, in diesem Fall die Sendezeit. Seit Jahren wird der Bürgerfunk landesweit immer weiter in den späteren Abend verschoben. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Motivation von aktiven und potentiellen Bürgerfunkern sowie für die Themenstruktur im Programm. Bürgerfunk zur Fernseh-Primetime bedeutet ein immer geringeres Hörerpotential. Insbesondere für politisch und gesellschaftlich ambitionierte Gruppen ist die potentielle Reichweite aber verständlicherweise sehr relevant. Wenn der LfM die Partizipation insgesamt stärken und politikbezogene Inhalte im Bürgerfunk fördern will, sollte sie das in ihrem Rahmen Mögliche tun, damit Bürgerfunk bessere Sendeplätze behält bzw. bekommt.

Der Bürgerfunk in NRW ist selbstkritisch und reformbereit

Dass es auch schwache Bürgerfunkproduktionen gibt, haben die Bürgerfunk-Aktiven längst erkannt und 2004 den Landesarbeitskreis „Qualitätsoffensive Bürgerfunk“ (LAK) gegründet. Kerngedanke war und ist eine stetige Verbesserung des Programms sowie der Arbeit in den von der Landesanstalt für Medien (LfM) anerkannten Radiowerkstätten. Vor diesem Hintergrund entwickelte der LAK ein Konzept für das Projekt „Qualitätsmanagement im Bürgerfunk“, das von der LfM im vergangenen Jahr an die Deutsche Hörfunkakademie und das Bildungszentrum Bürgermedien vergeben wurde. Diese Projektträger bereiten nun eine Zertifizierung der anerkannten Radiowerkstätten vor. Ziel ist eine Qualitätssteigerung der Arbeit in diesen Einrichtungen der Partizipation und Medienkompetenzvermittlung, um damit letztlich die Programmqualität zu verbessern.

Der Bürgerfunk in NRW braucht realistische Perspektiven

Ähnlich wie die Volpers-Studie verlangte jüngst auch die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) ein spezifisches Bürgerfunk-Programmprofil:

„Bürgerfunk muss viel konsequenter als bisher programmliche Alleinstellungsmerkmale erarbeiten, die ihn positiv von öffentlich-rechtlichen wie auch privat-kommerziellen Angeboten abheben: Konsequente Lokalität, Authentizität, Direktheit/ Betroffenheit, Aktualität, Stärkung des dokumentarischen wie des experimentellen Charakters, kulturelle Offenheit und Vielfalt, Zielgruppenorientierung (auch) jenseits des Mainstreams sind nur einige Stichworte, die zur konkreten Kennzeichnung bürgerfunkspezifischer Programmleistungen diskutiert werden sollten“. (Zur Konsolidierung der Bürgermedien in Deutschland, Gemeinsame Herausforderungen von Bürgermedien und Landesmedienanstalten, Leipzig/ Berlin 2005, DLM-Beauftragter für Bürgermedien)

Der LAK fordert eine an qualitativen Maßstäben orientierte Diskussion, eine zielstrebige Förderpolitik und Rahmenbedingungen, unter denen Programmverbesserungen machbar sind. Der LAK ist bereit, an diesem Prozess weiterhin aktiv mitzuwirken.

So regt der LAK beispielsweise an, die Programmverantwortlichkeit für Bürgerfunksendungen bei einer Gesetzesnovelle an die tatsächlichen Produzenten zu binden. Dies stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Bürgerfunker und entlastet die Lokalfunkredaktionen.

Die von der LfM ins Gespräch gebrachten neuen digitalen Verbreitungswege (Podcast u. a.) können nach Ansicht des LAK allenfalls eine Ergänzung zum Bürgerfunk sein: Es gibt derzeit keine Alternative zur Verbreitung im Lokalfunk, um vergleichbar viele Hörer im lokalen oder regionalen Nahraum zu erreichen.

Der LAK fordert die Absicherung der Stärken und Leistungen des Bürgerfunks in NRW, die in der Volpers-Studie aufgezeigt werden. Diese Stärken gilt es zu fördern und auszubauen. Politik und LfM sind aufgerufen, ein Modell zu entwickeln, das dies gewährleistet.

Die Mitglieder des LAK „Qualitätsoffensive Bürgerfunk“:

VHS-Radiowerkstätten
Rudolf Blauth, Volkshochschule Ahlen
Heinrich Happe, Volkshochschule Paderborn

Radiowerkstätten in katholischer Trägerschaft
Martin Wißmann, Bistumsstudio West, Bocholt

Radiowerkstätten in städtischer Trägerschaft
Hajo Mattheis, Radiowerkstatt im Bert-Brecht-Haus, Oberhausen

Gewerkschaften
Rainer Kegel, Radiowerkstatt Gewerkschaften für Lokalfunk, Solingen

Radiowerkstätten in freier Trägerschaft
Casy M. Dinsing, Welle Wachtendonk e. V.
Thomas Bruchhausen, Radiowerkstatt Exlex e. V., Mönchengladbach

Radiowerkstätten im ländlichen Raum
Anja Schweppe-König, Medienwerkstatt Minden-Lübbecke e. V.

Landesverband Bürgerfunk NRW e. V.
Jürgen Mickley, Medienforum Duisburg e. V.
Gabi Fortak, medienforum münster e. V.

Interessenverband Gemeinnütziger Rundfunk e. V.
Christoph Schaefler, Freier Lokalrundfunk Köln e. V.
Raphael Mader, Freier Lokalrundfunk Köln e. V.