„Der Bürgerfunk ist im Diskussionsprozess schon weiter, als zu erwarten war“, so Jürgen Mickley (Medienforum Duisburg / LBF) bei der Ergebnispräsentation des Bürgerfunk-Workshops in Hattingen.

Das Leitbild, die Leitlinien und die Handlungsfelder für den Bürgerfunk wurden genau vor einem Jahr in Hattingen diskutiert, fortentwickelt, von über 40 Radiowerkstätten in einer Art Selbstverpflichtung unterzeichnet und anschließend dem Vorsitzenden der Medienkommission der LfM, Wolfgang Hahn Cremer, überreicht. In diesem Jahr ging es in Hattingen um die Frage, inwieweit Leitbild, Leitlinien und Handlungsfelder im Laufe des vergangenen Jahres auch schon Einzug in die praktische Arbeit vor Ort genommen haben. Mittlerweile haben über 60 Radiowerkstätten die Selbstverpflichtung unterzeichnet.
In dem Bürgerfunk-Workshop berichteten Teilnehmer, dass in vielen Verbreitungsgebieten das Leitbild, die Leitlinien und die Handlungsfelder Anlass für eine verstärkte Selbstreflexion der Qualität der Bürgerfunk-Beiträge waren. Häufig führen diese Qualitätsdiskussionen zur „Wiederentdeckung“ der Airchecks, diese wurden vermehrt durchgeführt und institutionalisiert. Manche Radiowerkstätten haben in dieser Qualitätsdebatte den Chefredakteur des jeweiligen lokalen Senders eingebunden.

Leitbild, Leitlinien und Handlungsfelder bieten gute Orientierungslinien für die praktische Alltagsarbeit vor Ort, so der allgemeine Tenor. Insbesondere die Handlungsfelder regen an, die einzelnen Qualitätsmerkmale bewusster umzusetzen und noch vorhandene Defizite zu erkennen (z. B. häufig in der Selbstdarstellung und in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit).

Ängste und Probleme

Eine Gefahr für die ehrenamtliche Radioarbeit sahen einige DiskussionsteilnehmInnen, wenn durch Leitbild, Leitlinien und Handlungsfelder die Ansprüche an eine Radiowerkstatt erhöht werden. Wichtig sei, dass die Vorgaben auch in ehrenamtlich geführten Radiowerkstätten Umsetzung finden können.

Sofern die Beteiligung an Leitbild, Leitlinien und Handlungsfeldern freiwillig seien, stehe allerdings zu befürchten, dass es zu keiner merklichen Qualitätsverbesserung im Bürgerfunk komme. Es verblieben genügend „ignorante Radiowerkstätten“ und „Küchentischfunker“, die nicht in das Qualitätsmanagement eingebunden wären. Diese prägten dann immer noch das Bürgerfunk-Image negativ.

Wenn man seitens der LfM an eine Änderung der Fördermodalitäten denke, müsse das klar auf den Tisch und in seinen konkreten Auswirkungen deutlich benannt werden.

Perspektiven

Ein Qualitätsmanagement durch Leitbild, Leitlinien und Handlungsfelder impliziert, dass diese einer permanenten Evaluation und Weiterentwicklung unterzogen werden. Dafür muss auch strukturell Sorge getragen werden. Für den aktuellen Prozess der Weiterentwicklung soll ein Forum auf der LBF-Internetseite eingerichtet werden, in dem BürgerfunkerInnen ihre Erfahrungen mit der Umsetzung von Leitbild, Leitlinien und Handlungsfeldern austauschen und weiter entwickeln können. Als inhaltliche Änderung wurde angeregt, dass der Leitbildgedanke in seiner Ausformulierung auch Begriffe wie „ehrenamtlich“ und „Nachhaltigkeit“ beinhalten sollte. Desweiteren gebe es über „Partizipation“ und „Medienkompetenzförderung“ hinaus möglicherweise noch weitere Schlüsselbegriffe.

Leitbild, Leitlinien und Handlungsfelder sind schon in über der Hälfte aller Radiowerkstätten positiv diskutiert und angenommen worden. In die anderen Radiowerkstätten muss die Diskussion noch verstärkt hineingetragen werden. Ein weiterer Vorschlag war die stärkere Einbeziehung von Einrichtungen mit Multiplikatorenfunktion in diesen Prozess wie die Deutsche Hörfunkakademie (DHA) und das Bildungszentrum Bürgermedien (BZBM).

Leitbild Bürgerfernsehen

Jochim Musholt, Vertreter des Landesverbandes der Offenen Kanäle (OKs), merkte kritisch an, dass die Entwicklung von Leitbild und Leitlinien ein langwieriger Prozess unter Einbeziehung aller MitarbeiterInnen „von unten nach oben“ sei. Die Oks müssten diesen vom Bürgerfunk bereits beschrittenen Pfad der Leitbildentwicklung erst noch betreten, wobei man die Eigenheiten des jeweiligen Bürgermediums beachten müsse.

Leitbild Campusradio

Vertreter eines Campusradios berichteten von einem Wochenend-Workshop, bei dem die MitarbeiterInnen ihrer Redaktion zur Leitbildentwicklung in Klausur gegangen sind. Sie präsentierten den Prozess der Arbeit an Leitbild und Leitlinien für ihre jeweiligen Sender. Allerdings seien sie ebenso wie die OKs noch in den Anfängen.